Wirkung

Immer schlagfertig

Ob auf Abstimmungsplakaten, Karikaturen oder in der Kunst: Der Holzfäller haut überall kräftig zu.

An der 20. Ausstellung der Berliner Secession 1910 stellt Hodler diesen Holzfäller aus. Ferdinand Hodler, Der Holzfäller, 1910, Öl auf Leinwand, 128 × 105 cm, Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Depositum Sturzenegger-Stiftung

Der Holzfäller macht eine steile Karriere. Das Motiv wird kurz nach seiner Entstehung zu einem beliebten Motiv in der Karikatur. Die Gegenwartskunst hinterfragt den kraftstrotzenden Holzfäller und seine Symbolik zunehmend.

An der Berliner Secession 1910 präsentiert Hodler erstmals den Holzfäller im Ausland. Damit beginnt dessen Leben als Karikatur. Wie bekannt der Holzfäller auch in Deutschland ist, zeigen die vielen Karikaturen, mit denen damals politische Debatten kommentiert werden.

Schon kurze Zeit nach der ersten Präsentation des Holzfällers tauchen im deutschsprachigen Raum erste Karikaturen und Satirezeichnungen mit dem beliebten Bildmotiv auf. Der Holzfäller wird schnell Teil des «europäischen Bilderkanons». Neben kunstspezifischen Themen wird der Holzfäller vor allem in der Politik und in Bezug auf die beiden Weltkriege karikiert. In Deutschland ist das Motiv derart erfolgreich, dass damit innenpolitische Debatten kommentiert werden.

Die deutsche Eiche widersteht!

Arpad Schmidhammer stellt Ferdinand Hodler 1914 als Holzfäller dar, der sich an einer massiven deutschen Eiche abmüht und unsäglich verdreht. Weil Hodler den Protest gegen die Beschiessung der Kathedrale von Reims durch die Deutschen mitunterschreibt, verschmäht ihn das Publikum im Nachbarland. Aus Angst um seine Kundschaft entschuldigt sich Hodler jedoch bald daraufhin für seinen Protest.

Aber, Herr Hodler, wie konnten Sie die verlogene Kundgebung gegen die deutsche Barbarei mitunterschreiben?
– Ja, wissen Sie: Jeder bessersituierte Deutsche hat ohnedies schon einen Holzfäller oder Sensenmann von mir an der Wand hängen – es wird Zeit, dass ich mich jetzt um französische oder englische Kundschaft umtue!

«Hodler!», in: Jugend, 07.10.1914

John Heartfield, «So würde Tell in unseren Tagen handeln», in: Volks-Illustrierte, Nr. 47, 24.11.1937
Arpad Schmidhammer, «Aus der internationalen Ausstellung: Ferdinand Hodler Holzfäller Nr. 275», in: Jugend, Nr. 42, 04.10.1914, S. 1232
Illustration Max Spring, in: Nebelspalter, Juni 2005

Selbst heute lässt sich das Motiv mühelos für politische Kommentare einspannen. Max Spring zeichnet den Holzfäller 2005 beim Zerteilen des Schlagbaums an einem Grenzübergang. Die Zeichnung steht im Kontext der Debatte um den freien Personenverkehr zwischen der Schweiz und der EU, wobei der Holzfäller progressive Werte vertritt und Grenzkontrollen bekämpft.

Frauen an die Axt!

Lässig aber entschlossen, mit einer Axt auf der Schulter abgestützt, schreitet die Künstlerin Marie-Antoinette Chiarenza von der Gruppe RELAX auf der Fotografie Je suis une femme pourquoi pas vous ? auf das Publikum zu; im Hintergrund hängt Hodlers Holzfäller – eine Kampfansage? Die Arbeit ist eine feministische Botschaft: jetzt nimmt die Frau die Axt selbst in die Hand. Dabei zitiert RELAX gleichzeitig Josephs Beuys’ Pose in La rivoluzione siamo Noi. Auch die argentinische Künstlerin Ana Axpe findet einen feministischen Zugang zum Holzfäller und parodiert mit Pin-up à la tronçonneuse sexistische Darstellungen in Frauenkalendern, wie sie in beinahe jeder Schweizer Werkstatt hängen.

Ana Axpe, Pin-up à la tronçonneuse, 2001, 130 × 90 cm, C-Print in Leuchtkasten, Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft
RELAX (chiarenza & hauser & co), je suis une femme pourquoi pas vous ?, 1995/2001, Fotografie, 240 × 168 cm, Kunstmuseum Bern, Depositum Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft

Ein Wald voller Äxte

Thomas Hirschhorn fokussiert mit seiner Installation in der Ausstellung Swiss Made II im Kunstmuseum Wolfsburg auf die Axt des Holzfällers als Symbol der politischen Vereinnahmung von rechts. Hirschhorn spielt auf den bekannten Holzfäller im Bundesratszimmer an, der zum Ausdruck einer aggressiven, konservativen Politik geworden ist. Die Axt steht dabei für typische «schweizerische» Werte wie Urtümlichkeit, Aufmüpfigkeit und Starrsinn.

Installation von Thomas Hirschhorn in der Ausstellung Swiss Made 2. Präzision und Wahnsinn. Positionen der Schweizer Kunst von Hodler bis Hirschhorn, Kunstmuseum Wolfsburg, 2007
Raoul Marek, Lieber F. H., 1995, Kunstsammlung der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft

In Schieflage

Der Künstler Raoul Marek setzt 1995 in der Installation Lieber F.H. … eine Absperrung mit vier durch Kordeln verbundenen Messingständern vor den Holzfäller im Besitz der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft. Die Ständer sind mit Bambusrollen untersetzt und stehen in Schieflage – entgegengesetzt dem gefällten Baum des Holzfällers. Soll die Abschrankung die Schweiz vor dem Fall bewahren? Mareks Installation spiegelt die politische Situation des Landes wider, das nach der Ablehnung des Beitritts zum Europäischen Wirtschaftsraum 1992 Gefahr läuft, sich vom Rest der Welt abzukoppeln.